Haushaltsrede 2021

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Dr. Alfons,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Mitarbeitende der Verwaltung,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

zunächst richten wir unseren Dank an die Mitarbeitenden der Kämmerei, im Besonderen an Herrn Felix Eisenbach, für die professionelle Vorbereitung, so dass auch in diesem Jahr die Beratungen in kürzester Zeit abgeschlossen waren. 

Es ist der erste Haushalt, der unter der Ägide der neuen Oberbürgermeisterin aufgestellt wird und das gleichmal in einer Krise von epochalem Ausmaß. Bei aller Seriosität der Steuerschätzung, letztendlich bleiben große Unsicherheiten, wie sich die Einnahmensituation entwickeln wird. Gleichzeitig poppten im Nachlauf einige Kostenmehrungen der laufenden Großprojekte auf. Das ist beileibe keine optimale Basis für einen Start in das neue Haushaltsjahr!

Natürlich gilt es, angefangene Projekte zu Ende zu bringen. Das gilt für Inselhalle, Bahn-Unterführungen, das Bad im Eichwald, aber auch für die Gartenschau. Das darf aber nicht bedeuten, dass einmal bewilligte Mittel ohne weitere Kontrolle ausgegeben werden, vor allem dann nicht, wenn sich Bedingungen grundlegend ändern. Als Beispiel sei hier der Durchführungshaushalt der Landesgartenschau genannt, der angesichts der zu erwartenden Erlösminderung zur Besorgnis Anlass geben muss.

Beim Stichwort Erlösminderung fällt uns auch die LTK ein. Kaum ist mit viel Geld unsere Tagungshalle entstanden, bricht der Markt COVID-bedingt ein. Es wird nicht reichen, nur die Mittel zur Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebes der LTK/Inselhalle bereitzustellen. Wir werden der LTK intensiv zur Seite stehen müssen, bei der Suche nach Märkten und Geschäftsfeldern und Nutzungskonzepten für die Inselhalle, sollte  – was zu befürchten ist – der „Nach-Corona-Markt“ länger schwächeln bzw. sich verändern.

An unseren Pflichtaufgaben kommen wir nicht vorbei. Die Mittel für unsere Schulen, Kitas, Feuerwehr und Straßen sind nach geschätzter – und viel-diskutierter – Dringlichkeit zu verteilen. Aber auch hier gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, die eine Steigerung der Effizienz erlauben. Dazu brauchen wir gelegentlich externe Analysen. Die jedoch sind teuer und zeigen nur selten Einsparpotentiale auf.

Zum Vermögenshaushalt und den Verpflichtungsermächtigungen:
Wir geben viel Geld für Kinder- und Jugendbetreuung aus, was sehr gut ist, wir geben viel Geld für Kultur aus, was auch erfreulich ist, und wir geben sehr, sehr viel Geld für Verkehrsinfrastruktur aus, wobei einem Verkehrsmittel überproportional viel Gutes geschieht, leider auch zu Lasten aller anderen Verkehrsteilnehmer. 

Vielfach vergessen wir hier in diesem Rat, dass wir hauptsächlich von Gewerbesteuer, Einkommenssteuer und Umsatzsteuer leben. Und das Generieren dieser Steuerarten ist weiterhin an motorisierter Mobilität gekoppelt. Dafür brauchen wir eine angepasste Infrastruktur. 

Natürlich machen wir uns Sorgen über das Anwachsen des Schuldenberges, bei dem wir die Schulden der Regiebetriebe und Tochterunternehmen gedanklich dazu addieren müssen. Nicht Zinsen sind das Problem, sondern die hohe Bindung unserer Finanzmittel für die Tilgung, die uns zukünftig in der Handlungsfreiheit einschränkt.

Wir beobachten: Hohe Förderbeträge für große Projekte lassen die Eigenleistung bei vielen Projekten als „Peanuts“ erscheinen. Absolut gesehen verbleibt aber ein hoher Betrag, der vielmals mit Schulden oder mit Veräußerung von Immobilien gestemmt werden muss. Kritisch sehen wir die Veräußerung von Vermögen. Eine Kommune sollte ihre Immobilien wie Kronjuwelen hüten. Aber wenn wir uns dennoch zur Veräußerung von städtischen Immobilien gezwungen sehen, darf man nicht nur an Bestandsimmobilien denken, sondern muss auch zukünftige Projekte mit ins Kalkül ziehen. Wenn wir in die Entwicklung städtischer Immobilien und Flächen investieren, da denken wir an die westliche Insel, sind wir einerseits in der Lage, die Entwicklung unserer Stadt auf Jahrzehnte in unserem Sinn zu gestalten und haben es gleichzeitig in der Hand zumindest teilweise Wertsteigerungen zu realisieren, um diese wieder an anderer Stelle zu investieren. 

Wir dürfen nicht vergessen: die Investitionen, die im VMHH abgebildet werden, dienen auch dazu, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Handel, Handwerk und Gewerbe aufblühen und kräftig Steuern zahlen können, die dann dem Verwaltungshaushalt zu Gute kommen. Hohe Einnahmen und geringere Ausgaben  im VWHH führen bekanntlich zu Zuführungen zum Vermögenshaushalt, somit zur Tilgung der Schulden und zur Vermeidung, Tafelsilber verkaufen zu müssen. 

In diesem Zusammenhang freut es uns, dass die Oberbürgermeisterin die Digitalisierung der Verwaltung massiv vorantreiben möchte. Ziel der Digitalisierung ist es nicht, die heutigen Abläufe der Verwaltung 1:1 abzubilden. Mit Digitalisierung geht eine Optimierung der Abläufe, Konsolidierung und Automatisierung der Prozesse einher.  Wir raten dringend dazu, hierbei mutig quantifizierbare Ziele zu benennen.  Die Digitalisierung muss ein Vehikel sein, die jährlich stetig steigenden Kostenpositionen im Verwaltungshaushalt einzudämmen. Nach Jahrzehnten der Kostenfortschreibung mit linearer Steigerung, muss nun eine Zäsur kommen, die nur durch eine Restrukturierung im Rahmen der Digitalisierung erreicht werden kann.

Wir warnen davor, auf das Setzen von quantifizierten Zielen zu verzichten, so wie es leider bei der GTL war: da wurde das schwammige Ziel „Synergien heben“ genannt. Letztendlich aber wurde alles sprunghaft teurer. Hier muss gegengesteuert werden.  

Mit diesen Ausführungen lasse ich es bewenden. Es muss heute Abend nicht von jedem alles gesagt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

Wir, die Bürgerunion, haben viele Entscheidungen mitgetragen und werden diese auch weiterhin mittragen, auch wenn sie nicht immer unserem Ideal entsprechen.

Denn nicht immer stimmen die Rahmenbedingungen: Zeit, Mittel, Manpower fehlen oft, man muss Kompromisse schließen. Und wir sind realistisch genug, dass wir unter einer Richtungsänderung nicht ausschließlich die 180 Grad Kehre sehen. Eine leichte Drehung um wenige Grad reicht oft, um dem Ziel  näher zu kommen.

In diesem Sinne stimmen wir dem Haushaltsplan so zu. 

Prof. Dr. Ulrich Schöffel und Oliver Eschbaumer für die Bürgerunion Lindau